Als Rudolf Uhlenhaut, der Vater des 300 SLR-Renners, 1955 zur Mille Miglia reiste, um sich den Erfolg von Mercedes hautnah anzusehen, dachte er auch darüber nach, den 300 SLR-Renner für Langstrecken-Events auch mit geschlossenem Cockpit zu versehen.
Seine Überlegungen wurden in Form eines Wettbewerbscoupés mit einer Leistung verwirklicht, die kein anderer Straßensportwagen erreichen konnte. Bei einem Test auf einem gesperrten Autobahnabschnitt bei München erreichte der Zweisitzer eine Geschwindigkeit von 290 km/h. Beeindruckt von seiner außergewöhnlichen Performance bei einer Überlandfahrt von 3500 km Länge sagte der Testreporter der Schweizer Zeitschrift Automobil Revue:
„Wir fahren ein Auto, das kaum eine Sekunde braucht, um alle anderen zu überholen und für das 200 km/h auf einer ruhigen Autobahn kaum mehr sind als Schrittgeschwindigkeit. Mit seinem wahnsinnigen Handling in engen Ecken scheint der Wagen die Gesetze der Fliehkraft auszuhebeln…“
Der 300 SLR Renner basierte auf dem berühmten W196 Formel-1-Meistzerschaftswagen der Saison 1954/55. Die Abkürzung SLR steht für Sport Leicht-Rennen. Als einer der schönsten Rennwagen aller Zeiten wurde der neue SLR mit einem etwas anderen Reihen-Achtzylinder-Motor ausgestattet, der auf 3 Liter Hubraum erweitert wurde. Zwei der neun 300 SLR Rolling Chassis, 0007/55 und 0008/55, wurden zu 300 SLR Coupés mit geschlossener Karosserie und Flügeltüren umgebaut. Sie waren für den Einsatz bei der bevorstehenden Carrera Panamericana vorgesehen.
Die Karosserie des SLR-Coupés wurde mit Elektronblech verkleidet, einer Magnesiumlegierung, die noch leichter als Aluminium ist. Die halbrunde Windschutzscheibe bot sehr wenig Luftwiderstand. Wie beim SLR-Renner musste der Coupé-Fahrer die Pedale breitbeinig hinter dem Lenkrad bedienen. Unter der Motorhaube befand sich ein längs eingebauter Achtzylindermotor, der direkt hinter der Vorderachse platziert war und ein maximales Drehmoment von 234 Nm bei 5950 U/min und eine maximale Leistung von 310 PS bei 7400 U/min entwickelte.
Aufgrund von Sicherheitsbedenken nach dem tragischen Unfall in Le Mans im Juni beschloss Mercedes-Benz, sich zum Ende der Saison 1955 aus dem Motorsport zurückzuziehen. Infolgedessen wurde das SLR-Coupé-Projekt auf Eis gelegt und nie in Produktion genommen. Anschließend übernahm Rudolph Uhlenhaut eines der SLR Coupés als Dienstwagen.
Mit einem Gewicht von nur 1.117 kg und einer Geschwindigkeit von 290 km/h war das Uhlenhaut-Coupé das mit Abstand schnellste Straßenauto seiner Zeit weltweit.
Obwohl mit den 300 SLR Coupés kein wirklicher Rennsport mehr betrieben wurde, war das Fahrgestell 0007/55 im Motorsport kein Unbekannter. Es diente dem Werksrennteam als Testwagen beim Großen Preis von Schweden 1955 im Juni und der RAC Tourist Trophy im September. Bei der Targa Florio, dem letzten Lauf zur Sportwagen-Weltmeisterschaft 1955 wurde auf insgesamt 16.695 Kilometern eifrig getestet, um sich mit dem 72 Kilometer langen Rundkurs und seinen 900 Kurven vertraut zu machen. Das Mercedes-Team bildete da keine Ausnahme – Stirling Moss trainierte unentwegt am Steuer des Chassis 0007/55. Er beschädigte den Wagen vorne rechts; der Rahmen war an dieser Stelle verzogen und die Querlenker verbogen. Aber das hielt ihn und Fangio nicht davon ab, mit ihren SLR-Rennern bei der Targa Florio am 16. Oktober 1955 einen Doppelsieg zu erringen.